Referentin: Prof. Dr. Daniela Gottschlich (Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung, Koblenz)
Der Vortrag gibt einen Überblick über die Debatten um Geschlechterverhältnisse und Nachhaltigkeit der letzten 30 Jahre und zeigt dabei auf, welches Potenzial Geschlechterforschung und -politiken für die sozial-ökologische Transformation bieten. Nachhaltigkeitsforschung und -politik sind dringend auf herrschaftskritische Perspektiven angewiesen, um die aktuellen Krisen zu bearbeiten. Anhand der übergeordneten Frage, was das Mit- oder Nicht-Mit-Denken von Geschlechterperspektiven für die Transformationsforschung und sozial-ökologische Transformation in Richtung Nachhaltigkeit jeweils bedeutet, zeigt der Vortrag Chancen, Verbindungen, Brüche und blinde Flecken im und zum Mainstream-Nachhaltigkeitsdiskurs auf. Insbesondere die naturwissenschafts- und technikkritischen Zugänge der Geschlechterforschung sowie die Ansätze der feministischen Ökonomik und Politischen Ökologie bieten wichtige Korrektive und Alternativen für die Realisierung einer sozial-ökologisch gerechten Welt, die es zu nutzen gilt.
Über die Ringvorlesung
Spätestens seit ‚Fridays für Future’ ist Nachhaltigkeit als zentrale Entwicklungsaufgabe für die gesellschaftliche Zukunftssicherung öffentlich anerkannt. Parteien werben mit nachhaltigen Programmen, Unternehmen preisen ihren geringen ökologischen Fußbadruck an und alternative Energien werden ausgebaut, elektrische Autos gesponsert und Verbraucher*innen bemühen sich um nachhaltigen Konsum. Die Covid-19-Pandemie hat zudem die Risiken weltumspannenden Wirtschaftens und Reisens sowie die Dringlichkeit sozialer Ungleichheitsfragen noch einmal auf die Agenda gebracht. An vielen Stellen in Politik, Wirtschaft, Ernährung, Mobilität, Bildung und im Wohnungsbau passieren Vorstöße auf dem Weg zu sozial-ökologischer Nachhaltigkeit.
Die öffentliche Debatte um Nachhaltigkeit wird bislang jedoch weitgehend geschlechtslos geführt. Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber, dass Fragen menschlichen (Über-)Lebens auf dem Planeten Erde in Geschlechterverhältnisse eingebettet sind und folglich vor diesem Hintergrund betrachtet werden müssen. Die Ringvorlesung greift diese Perspektive auf und fragt danach, welche Rolle das Geschlecht nicht nur in der sozial-ökologischen Krise, sondern auch bei den Versuchen ihrer Bewältigung spielt. Wie werden auf dem Weg der sozial-ökologischen Wende Geschlechter(un-)ordnungen reproduziert oder transformiert? Wie hängt die Verteilung unterschiedlicher Ressourcen mit Machtasymmetrien zwischen den Geschlechtern zusammen? Wie kann Feminismus bei einer nachhaltigen Zukunftssicherung helfen? Die Referentinnen greifen diese und andere Fragen in ihren Vorträgen und Diskussionen auf und stellen darüber hinaus den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse für die gesellschaftliche Handlungspraxis her.